Inter-Basho Bericht – Teil 1

Hallo zusammen,

Auch wenn das Nagoya Basho schon etwas länger vorbei ist, und somit Aki schon vor der Türe steht, möchte ich hier auch das vergangene Turnier Revue passieren lassen. Dieses Turnier war gekennzeichnet von dem großen Wettskandal, und der daraus resultierenden Verdammung einer Vielzahl von Rikishi. Wirklich gehen musste zwar nur Kotomitsuki, andere involvierte Rikishi kamen mit einer Turniersperre davon, trotzdem war der Einfluss dieses Skandals für den Sport groß. Das das Turnier nicht im Fernsehen zu sehen war, mag für europäische Fans schmerzlich gewesen sein, doch immerhin gab es dadurch endlich einmal wieder mehr Zuschauer in der Halle selbst. Und das Kotomitsuki gehen musste… nun ja, sein Karrierehöhepunkt war überschritten, so paradox es klingen mag: durch seinen Rauswurf bleibt er wahrscheinlich als Sumotori in besserer Erinnerung als es ohne der Fall gewesen wäre… er war zwar das Bauernopfer des Skandals, aber es hätte für ihn und andere viel schlimmer kommen können. Der Skandal selbst wurde schon oft genug thematisiert, und der eine oder andere mag sich immer noch fragen, ob Mahjong wirklich so verwerflich ist, aber da man nur aus japanischer Sicht (wenn denn überhaupt) aus wirklich begreifen kann, worum es dabei geht, möchte ich dieses Kapitel überspringen. Vielmehr möchte ich mich dem vergangenen Turnier zuwenden, und eine kleine Vorschau auf das kommende Aki Basho werfen.

Wer sich wundert, warum in der Überschrift von einem ersten Teil die Rede ist, und befürchtet, ich könnte nun eine endlose Reihe endloser langweiligre Monologe vom Stapel lassen, den kann ich beruhigen: Es werden drei Teile werden, die nicht endlos sind… langweilige Monologe aber wohl trotzdem, somit seid ihr gewarnt!

Und wie soll das ganze nun geteilt werden? Ganz einfach, in die drei großen Gruppen der Rikishi: Japaner, Mongolen und Europäer. Und mit letzteren will ich diesmal auch beginnen, somit lautet Teil 1:

Europäische Rikishi, oder: Angriff der Hirnkäfer

… und wer sich jetzt fragt, was Hirnkäfer sind, der möge bitte gleich einmal das Wörterbuch befragen… ich war übrigens versucht, den Begriff „indogermanisch“ zu verwenden, aber eventuelle Neandertalergene haben mich hier dann doch abgeschreckt, und einen allgemeineren Begriff wählen lassen

Fangen wir einmal „wissenschaftlich“ an:

Der durchschnittliche europäische Rikishi ist in Nagoya auf Platz M3w zu finden gewesen, 192,2cm groß, 166,3kg schwer, überdurchschnittlich behaart, hat ein 8-7 Ergebnis erreicht, 37,5 Turniere am Buckel (und dabei 258 Siege gefeiert), und sein Name ist 7,3 Buchstaben lang. Wunderbar oder?

Weitere Kennzeichen gefällig? Optisch liegt der europäische Rikishi zwischen der Schönen (Kotooshu?) und dem Biest (wahlweise… ähm… möge sich jeder was aussuchen), aber der interessanteste Aspekt ist sicherlich der mentale: Wenn man den Vergleich mit Tieren ziehen darf (Meine Entschuldigung vorab an die Fauna Afrikas), so  findet man hier die Mentalitäten von Vogel Strauß und Hyäne, wahlweise auch beides in einem Gehirn gemischt, vor

Wollen wir nun den Durchschnitt weglassen und uns den einzelnen Rikishi zuwenden? Ja? Wunderbar!

Ozeki Baruto war in Nagoya ein Gespenst… und zwar keines, das einem Angst macht (Der Leser stelle sich hier lautmalerisch ein grauenerregendes lautes „BUUUHHHHH!“ vor), sondern ein ziemlich durchsichtiges bemitleidenswertes Etwas (Bitte hier ein weinerliches „buhuhu“ einfügen). Mitschuld mag gegen Ende auch eine Verletzung gewesen sein, doch schon die frühen Niederlagen gegen Aran und Tochiozan haben den Weg gewiesen. Ich hatte erwartet in den ersten 3 Ozeki Turnieren Aufschluss über Barutos Zukunft zu erhalten, aber das es sich so schlecht entwickeln könnte habe ich nicht erwartet. Baruto hat nur einen Kashi-koshi Rikishi besiegen können, und das war Tokitenku. Im Gegensatz dazu sieht die Niederlage gegen den mit nur 5 Siegen gesegneten Kotoshogiku noch schlimmer aus. Ist das eingetreten, was viele befürchtet haben, ist Baruto zufrieden mit dem Erreichten? Es sieht derzeit leider danach aus, zumal bereits vom Karriereende zu einer bestimmten Zeit gemunkelt wurde. Es liegt aber immer noch an Baruto selbst das Ruder herumzureißen. Auch wenn Hakuho derzeit unüberwindlich scheint, Platz 2 in der Sumo Hierarchie unserer Tage ist noch zu vergeben, denn schwächeln tun derzeit ausnahmslos alle Verfolger.

In Aki sollte Baruto trotzdem problemlos ein Kashi-koshi erreichen sofern er denn gesund ist/bleibt, aber um den Turniersieg scheint er dieses Jahr nicht mehr mitreden zu können/wollen. 9 bis 10 Siege in Aki, eine frühe Niederlage die sämtliche Spannung zerstört, man kann eben auch zu brav sein in dieser Welt.

Ozeki Kotooshu ist der Grund, für den Vergleich mit einem Vogel Strauß. Sieht er ein henka auf sich zukommen, steckt er den Kopf in den Sand… fast schon wortwörtlich. Toll ins Turnier gestartet, um dann nach 7 Siegen gegen Kakuryu den Kürzeren zu ziehen. Man muß ihm zugute halten, das er immerhin Aminishiki geschlagen hat (jeder macht mal Fehler…), und dazu mit Aran, Tochiozan und Homasho weitere starke Rikishi aus Nagoya besiegen konnte (Baruto fällt erstmal nicht in diese Kategorie), aber Glanzlichter haben eigentlich gefehlt. 10 Siege sind gut, aber sollten eigentlich Standard für einen Ozeki sein… das dem nicht so ist, und wir mit 10 Siegen fast schon glücklich sein müssen, ist schade für den gesamten Sport. Trotzdem gebe ich die Hoffnung im Fall Kotooshu nie ganz auf… so verrückt seine Turniere und Darbietungen manchmal anmuten können, so gefährlich ist der Bulgare theoretisch auch. Keiner kann sein Potenzial wirklich einschätzen, er ist nicht nur für grausige Aussetzer zu haben, sondern kann an einem guten Tag jeden Gegner besiegen. So kann sonst nur noch Harumafuji eine ähnliche Head-to-head Statistik gegen hakuho aufweisen, und ob die Mongolen sich die Rekorde gegenseitig zerstören wollen ist zumindest fraglich. Für Aki erwarte ich von Kotooshu wieder ein zweistelliges Ergebnis, und hoffe dabei einfach einmal auf 12 Siege. Wenn jemand 2010 noch Hakuho besiegen sollte, dann gebe ich Kotooshu dabei die größten Chancen, manchmal hat auch der Wahnsinn Methode.

Kotooshu kann in den Bewertungskategorien damit auftrumpfen, das er der größte Rikishi ist (2,03m) und die bisher meisten Siege einfahren konnte (399… das Jubiläum sollte zu schaffen sein)

Komosubi Tochinoshin… jaja, das erste Mal Komosubi ist wohl für fast alle schwer, und somit ist ein Make-koshi kein Drama. Hier handelt es sich um eine mentale Schwelle die für fast alle Rikishi schwer zu überwinden ist, aber Tochinoshin hat sich in Nagoya achtbar geschlagen. Positiv hervorzuheben sind hier Siege gegen Kisenosato und Kotooshu, negativ zu vermerken sind Niederlagen gegen Hakuba und Asasekiryu. Von den europäischen Rikishi zeichnet sich Shin nicht nur durch den längsten Namen aus, sondern auch durch sein Potential. Zusammen mit Aran bildet er ein wildes Duo, das zwischen den beiden „satten Ozeki“ Baruto und Kotooshu, und den anderen Europäern weiter unten in den Maegashira-Rängen die jo-ii aufmischen könnte. Als M2w wird er auch im Aki Basho in Reichweite der Top-Rikishi sein, was für diese nicht unbedingt die bequemste Auslosung ist. Ich erwarte mir im Aki Basho ein knappes Kashi-koshi, Shin ist noch dabei zu lernen, aber sein Potential zusammen mit der bisherigen Erfahrung sollte für 8 Siege reichen.

Maegashira Aran… oder sollte ich sagen Sekiwake Aran? Ja, wirklich, was bis vor kurzem eher als Alptraum vieler Sumo-Fans gegolten hat, ist nun Wahrheit geworden… und erstaunlicherweise regt das niemanden wirklich auf, denn diese Beförderung ist sowohl verdient, als auch mit gutem Sumo erkämpft worden. Nachdem der Start in Nagoya eher schwierig war (1-4 nach dem ersten Drittel) legte Aran eine nicht für möglich gehaltene Siegesserie von 10 Siegen hin. Hervorzuheben sind hier der frühe Sieg gegen Baruto, sowie Siege gegen Harumafuji, beide Sekiwake, Tochinoshin, und gegen die beiden anderen Jun-Yusho Sieger Kakuryu und Homasho (wobei ersterer Sieg höher zu bewerten ist), die Niederlage gegen Hakuba sei ihm verziehen.

Damit hat Aran zwei Turniere in Folge sowohl das Jun-Yusho als auch das Kanto-sho gewonnen, und steht mit 23 Siegen vor… halt, nein: Bevor hier jemand Angst bekommt, das weitere 10 Siege zur Ozeki-Promotion führen gleich vorweg: Die ersten 12 Siege wurden vom M10 Rang errungen, und gelten somit wohl kaum als Startpunkt für einen „Ozeki-run“… nur zwei weitere Turniere mit gesamt wohl mindestens 23 Siegen würden zu einer Promotion führen. Hat Aran dazu die nötigen Fähigkeiten? Ja und nein… die Fähigkeiten sind wohl da, aber ich erwarte im nächsten Turnier erst einmal einen kleinen Einbruch, der eventuell sogar ein desaströses Make-koshi nach sich ziehen könnte. Sollte Aran aber wider Erwarten auch vom Sekiwake-Rang ein Kashi-koshi erreichen, so ist er eine brandheiße Aktie für das Jahr 2011… Persönlich traue ich ihm von 1-9 Siegen in Aki alles zu.

Übrigens zeichnet sich Aran noch dadurch aus, das er die wenigsten Turniere der Europäer auf dem Buckel hat… und auch den kürzesten Namen

Gagamaru… jetzt Ex-Maegashira… irgendwie wehrt sich mein Hirn da etwas dazu zu schreiben… Das Debüt in der Makuuchi Division ist zwar natürlich ein großer Schritt, aber der ist hier mit nur 5 Siegen gründlich danebengegangen. Zu schnell konnten sich die Gegner auf den „Fleischberg“ einstellen, allein die Tatsache, am letzten Tag gegen Bushuyama durch Yorikiri zu verlieren besagt wohl viele. Gagamaru ist von den 6 Europäern im Nagoya-Basho sowohl der Kleinste, als auch der Schwerste gewesen, und weist nebenbei auch noch die wenigsten Karrieresiege auf… 7 weniger als Aran, der dafür auch noch 7 Turniere weniger gebraucht hat. Gagamaru wird es über die mittleren Maegashira-Ränge (hoffentlich) nie hinausschaffen… was sowohl für den Sport, als auch für ihn selbst wohl am besten ist. Das er trotzdem zwei Kashi-koshi-Rikishi besiegen konnte, liegt wohl nur daran, das er diese sehr früh im Turnier „zum Fraß“ vorgesetzt bekam, danach wusste jeder, was man mit Gagamaru machen soll… Kimurayama würde es wohl am trefflichsten formulieren: „Links liegen lassen“.

Maegashira Kokkai hat einen Sprung in der Hierarchie um 4,5 Plätze geschafft… aber nur durch die Ausfälle der verbannten Rikishi. Selten haben 8 Siege für so große Sprünge wie in diesem Turnier gereicht, in diesem Fall kann man aber sagen, das Kokkai glücklich sein sollte nicht mehr gewonnen zu haben, der neue Rang als M8 wird schon schwierig genug sein. Mit 57 Turnieren ist er der erfahrendste aller „Europäer“, doch die Zeiten, als er ein unberechenbarer Bestandteil der jo-ii war, und zweimal Asashoryu in die Knie zwingen konnte sind vorbei. Manchmal flackert noch seine alte Stärke auf, allerdings litt Kokkai die letzten Jahre vor allem darunter, das niemand genau wusste, was seine Stärke ist, er eingeschlossen. Keine richtiger „Kampfstil“ war zu erkennen, Schlampigkeitsfehler waren an der Tagensordnung… all das hat Kokkai  in die unteren Maegashira-Ränge zurückgeworfen… hier hält er sich zwar tapfer, aber dabei wird es auch in Zukunft bleiben. Im Aki Basho erwarte ich mir vom leichtesten der Europäer 6 Siege, und einen kleinen Rückfall in die gemütlicheren bereiche der Banzuke… der alte Herr hat sich seinen „Lebensabend“ mit weniger Stress verdient, und soll ruhig so lange bleiben, wie er es für richtig hält.

Damit sind wir auch schon am Ende von Teil 1, Europa gab sich die Ehre… Teil 2 der von den mongolischen Horden handeln soll wird (hoffentlich) bald folgen, einstweilen könnt ihr euren Unmutübern meine Berichte gerne an seisset@sumotalk.com richten… vielleicht habt ihr Glück, und eure Mail wird bei der Lotterie gezogen und verlesen?
Mfg

Ciao
Seisset

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