Ozeki
Baruto, was nun?
Nicht
lange hat es gedauert, dass nach Chiyotaikais Ausscheiden aus dem Sumo-Sport
wieder ein fünfter Ozeki gefunden wurde, und kaum jemand wird in Frage stellen,
das Baruto hier der derzeit einzig legitime Kandidat war. Es war eine
Entwicklung die abzusehen war, und somit hat Baruto eine der letzten Stufen auf
seiner Karriereleiter erklommen… doch was passiert nun?
Recht bald nach der Promotion wurde verkündet, das dies nicht das Ende sein
sollte (wobei diese Ankündigungen fast eher traditionell zu sehen sind), doch
viele konkrete Ziele gibt es nicht mehr, genaugenommen nur noch zwei: Der
Gewinn eines Yusho, und die Promotion zum Yokozuna.
Beide Ziele sind nicht vorherzusagen, Baruto hat auf jeden Fall das Potential
Turniere zu gewinnen, jetzt erscheint es sogar einfacher als noch vor wenigen
Monaten. Da war die Situation ungefähr so, dass die beiden vorderen Plätze im
„Sumo-Bus“ von zwei starken Yokozunas belegt waren (Der eine ist bereits
eine Legende, der andere auf dem Weg dorthin), doch nun ist der Beifahrersitz
frei… und derjenige der diesen besetzt ist auch in der Pole-Position um einen
eventuellen Lapsus seines Nebenmannes Hakuho auszunützen. Kann Baruto hier
Ansprüche anmelden? Wir werden wahrscheinlich in den kommenden Turnieren die
Antwort erhalten, ich würde mich soweit aus dem Fenster lehnen, das es
eventuell schon in den nächsten drei Turnieren ersichtlich wird.
Doch kurz zurück: Das Turnier das mit dem 14-1 Jun-Yusho zur Promotion geführt
war aus dem Stoff, aus dem Helden gemacht sind... vor dem Turnier beim Keiko
verletzt, dadurch der griff am Mawashi des Gegners erschwert... die
einzigartige Chance vor Augen den Ozeki Rang zu erklimmen. Nun, Baruto hat die
Zähne zusammengebissen, und aus der Not eine Tugend gemacht, indem dem
Kampfstil ein neues Element beigefügt wurde, und zwar beim Tachi-ai nicht mehr
passiv zu agieren, sondern selbst mit Tsuppari den Gegner zu destabilisieren,
um eine vorteilhaftere Ausgangslage für den restlichen Kampf zu erhalten. Auch
wenn es sich nicht um die genau gleiche Vorgehensweise handelt, ich habe hier
einen interessanten „flashback“ empfunden, Baruto hat mich in seinen Kämpfen
plötzlich an einen anderen Sumotori erinnert, und zwar an niemanden geringeren
als Akebono.
Natürlich ist der Vergleich weit hergeholt, und es ist auch verfrüht zu sagen,
dass sich Baruto in diese Richtung entwickeln kann, aber der Vergleich mit
Akebono ist doch sehr interessant. Akebono hat innerhalb von 26 Turnieren den
Ozeki Rang erreicht, bei Baruto waren es 36 Turniere... allerdings mit der
Einschränkung, das Baruto viele Verletzungen hatte, die ihn zurückgeworfen
haben. Zählt man diese Turniere weg, und die die nötig waren um den Rang vor
der Verletzung zu erreichen, kommt man auf eine Zahl die ungefähr dem Wert von
Akebono entspricht, Baruto war also ungefähr gleich schnell in seinem Aufstieg,
nur eben mit Umwegen. Der vielleicht größte Unterschied hier ist, das Akebono
auf dem Weg ein Yusho gewonnen hat und daneben 4 Kinboshi sammeln konnte, während
Baruto erst vor kurzem seinen ersten Sieg über einen Yokozuna feiern konnte (wobei
man hier auch die Qualität der jeweiligen Yokozunas nicht unbedingt
vergleichen kann)
Weitet man den Vergleich aus auf eine rein körperliche Ebene, so könnte man
fast behaupten, Baruto bietet das bessere „Gesamtpaket“. Akebono war in körperlicher
Hinsicht leicht gehandicapt durch seinen unvorteilhaft hohen Schwerpunkt,
Baruto entspricht hier eher dem „Idealbild“ eines Sumoringers (sofern es
ein solches geben kann/soll). In der Größe liegen nur wenige Zentimeter
zwischen den beiden, beim Gewicht allerdings circa 40kg. Doch im heutigen Sumo
hat Gewicht nicht mehr eine so große Rolle inne wie noch vor 20 Jahren,
Geschwindigkeit und Technik haben in der „mongolischen Ära“ einen sehr
hohen Stellenwert eingenommen, somit ist der Gewichtsunterschied nicht so hoch
einzuschätzen... körperlich hat Baruto auf jeden Fall die Voraussetzungen die
letzten zwei Ziele zu erreichen.
Wenn man aber schon den Körper anspricht, dann muss der Geist ebenso Thema
sein... und damit die Frage, ob Europäer mental stark genug sind für höhere
Aufgaben im Sumoringen. Als erster Vergleich kommt hier zwangsläufig Kotooshu
ins Blickfeld, der in Rekordzeit den Ozeki-Rang erreicht hat, hier aber nie die
Erwartungen erfüllen konnte, und immer wieder durch mentale Aussetzer „glänzt“.
Es wäre aber ungerecht dies gleich auf Baruto umzumünzen, der mit seinem
letzten Turnier sehr wohl gezeigt hat, das er mit mentalem Druck gut umgehen
kann. Hier muss man abwarten wie sich die Situation entwickelt, wenn sich
Baruto mit dem erreichen des Ozeki-Ranges innerlich begnügen sollte, könnte
die Entwicklung aber einen parallelen Verlauf nehmen.
Hinsichtlich der Technik muss klar gesagt werden, das Baruto seinen Stil noch
nicht gefunden hat, so hat er jetzt schon mehr Kimarite in seiner Siegeslist
als Akebono in seiner gesamten Karriere. In der Vergangenheit haben wir ihn des
Öfteren mit neuen Techniken probieren gesehen. Inwiefern er nun in der Lage
ist seine neue offensive Tachi-ai Technik in Zukunft erfolgreich einzubinden,
muss sich erst zeigen, während der Keiko-Aufeinandetreffen seit seiner
Promotion hatten seine Gegner angeblich weniger Probleme damit umzugehen…
aber wirklich zeigen wird sich das ganze erst im Turnierring. Seine Stärke
wird wahrscheinlich weiterhin im Yorikiri liegen, da er hier seinen Körper am
besten einsetzen kann, mit besserer Ausgangslage durch einen besseren Start in
den Kampf sollte auch der Anteil an Yoritaoshi stärker ansteigen. Der geringe
Anteil an dieser Technik in seiner bisherigen Erfolgsliste ist nämlich ein
Ergebnis seiner bisherigen „Lahmarschigkeit“, und vorsichtigen passiven
Kampfweise… dies könnte sich nun aber zum besseren ändern.
Was erwarte ich mir nun persönlich, wohin führt der Weg? Nun, ich schätze
das nächste Turnier wird ein durchschnittliches Ergebnis bringen, zwischen 9
und 11 Siegen. Die Folgezeit ist viel schwerer abzuschätzen, doch ich erwarte
mir hier irgendwann gesamt 2 Yushos und eine annehmbare Ozeki-Karriere.
Und was erwartet ihr? Eure Meinungen und Kritiken würden mich interessieren,
schreibt mir an seisset@sumotalk.com
mfg
Ciao
Seisset
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